Suchen

Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren

Dieser Satz von Karl Popper (aus: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd.1, S.268) ist sicher aktuell. Er wird aber gerade oft von denen benutzt, die - häufig rassistisch - eine Bedrohung demokratischer Strukturen durch Minderheiten herbeireden wollen und gegen diese Minderheiten dann harte Maßnahmen fordern.

Der Toleranzbegriff selbst ist erst einmal nicht eindeutig. Grundlegende Arbeiten dazu hat Rainer Forst verfasst. Um hier eine wichtige Differenzierung des Begriffs zu skizzieren:

Erstens ist Toleranz Respekt vor der Haltung oder dem Verhalten anderer, auch wenn man dieses nicht gut findet. Dieser Respekt nährt sich daraus, dass wir akzeptieren, dass wir in einer freiheitlichen Gesellschaft leben und jeder seine Freiheit ausleben kann. Die Toleranz gegenüber anderen endet aber dort, wo diese meine Freiheit einschränken wollen. Ich werde sicher nicht tolerant gegenüber jemandem sein, der mir verbieten möchte, meine Meinung zu sagen, weil damit eines meiner elementaren Rechte eingeschränkt wird.

Zweitens ist Toleranz auf staatlicher Ebene dadurch geprägt, dass es kein Positivbild, eine sog. "Leitkultur" gibt, sondern zunächst einmal alle Menschen und Gruppen die totale Freiheit haben zu tun, was sie möchten. Das kann vollkommen verrückt sein, wie z.B. die Chemtrail-Spinnereien oder Vereine zur Abwehr der Invasoren von Alpha Centauri. Nur müssen die grundlegenden Regeln des Staates eingehalten werden. Wer sie verletzt, wird i.d.R. durch strafgesetzliche Instrumente, deren Basis wieder das Grundgesetz ist, an seinem Handeln gehindert ("wehrhafte Demokratie").

Ob eine Gruppe oder politische Partei diese grundlegenden Regeln des Staates (Verfassung) verletzt oder einhält, kann institutionell politisch entschieden werden, z.B. durch das Bundesverfassungsgericht oder die Innenminister der Bundesländer.
Die Intoleranz, die Popper meint, ist aber außerhalb des juristischen Rahmens angesiedelt und weit darüber hinausgehend.
Sie wird überall da offenbar,
  • wo die Sprache gegenüber dem politischen Gegner aggressiv und bösartig wird; 
  • wo diejenigen, die die eigene Haltung nicht teilen, diffamiert werden (Vaterlandsverräter; Judenpresse)
  • wo schwache Minderheiten zu überdimensionierten Bedrohungen stilisiert werden (0,6 % der Reichsbevölkerung waren Juden)

Leider gibt es in Deutschland und Europa auch derzeit Parteien und Bewegungen, die genau diese Merkmale erfüllen und die damit Grundlagen freiheitlicher Demokratien aushöhlen. Dazu findet sich auch ein erhellendes Interview (Video und Text) des berühmten Historikers Fritz Stern auf der Seite von 3sat.